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Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger im Gespräch mit Barbara Schmid (DIAKA)

Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger (geb. 1955) ist Mitautor der Studie "Sexkauf - eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution". Er ist Fachanwalt für Verwaltungs- und Medizinrecht in Wiesbaden und war Mitglied des Thüringer Verfassungsgerichtshofs (1995 bis 2002). Er ist Gründungsrektor (1994) und ist bis heute Lehrbeauftragter der Hochschule für die Polizei in Sachsen. Ulrich Rommelfanger studierte Rechtswissenschaften und Volkswirtschaftslehre an den Universitäten Heidelberg, Trier und Paris. Er arbeitete als Ministerialrat und Richter in verschiedenen Bundesländern.

Barbara Schmid (DIAKA) und Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger, Foto: Stefan Baumgarth
Barbara Schmid (DIAKA) und Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger, Foto: Stefan Baumgarth

DIAKA

Professor Rommelfanger, warum beschäftigen Sie sich als Staats- und Verfassungsrechtler mit dem Thema Prostitution?

 

Prof. Dr. Ulrich Rommelfanger

Meine Mit-Autorin, Professorin Elke Mack, hatte mich gebeten, den juristischen Teil der Forschungsarbeit zu übernehmen. Eine interessante Aufgabe, denn in Grundgesetzkommentaren kommt der Begriff Prostitution fast nicht vor. 

 

DIAKA

Sie kommen in der gemeinsamen Arbeit, die gerade als Buch * veröffentlicht wird, zu dem Ergebnis, dass die deutsche Prostitutionsgesetzgebung der letzten 20 Jahre gegen die Verfassung verstößt. Warum?

 

Rommelfanger

Artikel 1 des Grundgesetzes lautet: „Die Würde des Menschen ist unantastbar. Sie zu achten und zu schützen ist Verpflichtung aller staatlicher Gewalt“. Die Vermarktung des Intimbereichs eines Menschen ist menschenunwürdig, wenn dies nicht freiwillig geschieht. Wir kommen in unserer Forschungsarbeit zu dem Ergebnis, dass mehr als 90 Prozent der Prostituierten, es sind meistens Frauen, nicht freiwillig ihren Körper verkaufen. Sie sind vielfach Opfer von Zwangsprostitution und Menschenhandel. 

 

DIAKA

Der Gesetzgeber geht aber von der Freiwilligkeit aus…

 

Rommelfanger

… sie wird einfach unterstellt. Ohne empirische Grundlagen. Das ist sehr befremdlich. Eine parlamentarische Anfrage an die Bundesregierung aus dem April 2023 hat ergeben, dass bis heute dazu und in vielen anderen Bereichen der Prostitution keine belastbaren Daten vorliegen. Der Gesetzgeber hat weder den Würdeschutz eingehend beachtet noch die Freiwilligkeit ausreichend geprüft und lässt eine fortgesetzte Verletzung der Persönlichkeitsrechte von Prostituierten zu.

 

DIAKA

Sie werfen dem Staat andauernde schwerwiegende Rechtsverletzungen gegenüber Menschen in der Prostitution vor?

 

Rommelfanger

Der Staat duldet sexuelle Ausbeutung und unfreiwillig erbrachte sexuelle Dienstleitungen und kommt seiner Schutzverpflichtung nicht nach. Jeden Tag kommen neue Opfer dazu, täglich sollen etwa eine Millionen Männer zur Prostituierten gehen. Meistens sind es Frauen, die physisch und psychisch schwerste Schäden erleiden, wie wir aus unseren Gesprächen mit Strafverfolgungsbehörden, Medizinern und Therapeuten wissen.

 

DIAKA

Was fordern Sie? 

 

Rommelfanger

Wir brauchen am besten eine Totalrevision und komplett neue Regelung der Prostitution in Deutschland. Keine reine Nachbesserung, wie das schon 2016 mit dem Prostituiertenschutzgesetz versucht wurde. Der Staat muss seiner Schutzverpflichtung nachkommen und die andauernden Rechtsverletzungen beenden. Orientieren sollte sich der Gesetzgeber am Nordischen Modell, das die Freier-Bestrafung vorsieht und den Menschen in der Prostitution beim Ausstieg hilft. Das müsste auf deutsche Verhältnisse übertragen und angepasst werden.

 


Ausführliche Informationen finden Sie in der DIAKA-Pressemitteilung zu Neuerscheinung der Studie "Sexkauf - eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution":

 

► https://www.diaka.org/pressemitteilung-neue-studie-sexkauf


Neuerscheinung:

 

Elke Mack, Ulrich Rommelfanger: Sexkauf. Eine rechtliche und rechtsethische Untersuchung der Prostitution. Nomos 2023, 332 Seiten, broschiert. ISBN 978-3-8487-7597-2.


Für weitere Informationen, Anfragen und Interviews stehen die Expertinnen und Experten des Deutschen Instituts für angewandte Kriminalitätsanalyse - DIAKA gern zur Verfügung.

 

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